HANDBALL inside | Ausgabe #59 5/2024
Der vierte Versuch Christian Hüneburg und Johannes Bitter sollen den HSV Hamburg neu aufbauen und seriös finanzieren. Aktuell ist der Club abhängig von seinem Retter und Gönner Philipp Müller.
A uf der Mönckebergstraße, ei ner der beliebtesten Einkaufs straßen Hamburgs, herrscht am Vormittag des 9. Oktober 2024 wuseliges Treiben. Und auch im na hen Firmengebäude, in das der HSV Hamburg die Presse eingeladen hat, ist einiges los. Fotografen, TV-Repor terinnen, Radio-Leute und die Zunft der schreibenden Presse sind gekom men. Das sei ein sehr erfreuliches In teresse, sagt der neue HSV-Präsident Kay Spanger. Die mediale Aufmerksamkeit ist nachvollziehbar, präsentieren die Hanseaten an diesem Tag doch ihr neues Führungsduo für die Operati ve. Da ist einmal Christian Hüneburg, 49, Brille, Businessanzug, der zuletzt in Schwerin als Geschäftsführer der Bundesliga-Volleyballerinnen Palm berg gearbeitet hat und vorher im Vorstand des FC Hansa Rostock. Er stehe für Transparenz, für Offenheit und am Ende des Tages auch für Wirt schaftlichkeit, versichert der neue Ge schäftsführer und sagt: „Ich mache alles außer Sport.“ Für den Profihandball zuständig ist künftig Johannes Bitter, mit einer Bilanz von über 600 Bundesligap artien, Champions League-Sieger, Weltmeister-Torwart von 2007. Der 42-Jährige hat ein paar Tage zuvor das Ende seiner Profikarriere erklärt und ist als gewählter Vizepräsident
Millionen Euro gedrückt hatte, die Li zenz für die Saison 2024/25 erhalten, durch ein Urteil eines Schiedsgerichtes. Dabei hatte der damalige Geschäfts führer Sebastian Frecke stets behaup tet, alles sei prima, die Lizenzvergabe kein Problem, sie hätten die wirtschaft liche Lage im Griff (siehe zur Wirklich keit den Bericht in HI #57). Ja, räumt Bitter ein, das Image des Vereins habe in diesen schweren Monaten „ein paar Kratzer“ erhalten. Aber nun gelte es, diese Kratzer „wegzupolieren“. Tatsächlich markiert dieser 9. Ok tober 2024 den Start in den vierten Versuch, Profihandball in der Hanse stadt seriös zu finanzieren. Die ersten drei Versuche scheiterten krachend. Der Beginn im Jahr 2002, der durch die Lizenz des VfL Bad Schwartau ermöglicht wurde, endete mit einer Insolvenz und der Verhaftung des Managers Wilfried Klimek. Die er folgreichste Phase unter Andreas Rudolph von 2005 bis 2016 beruhte darauf, dass der Mäzen rund 50 Mil lionen Euro (!) in den Club schoss; auch hier stand letztlich die Pleite. Als danach der HSV in der 3. Liga den Neuaufbau anging, erschienen die Verantwortlichen stets im Gewand seriöser hanseatischer Geschäftsleu te. Doch schon beim Neustart schob KRATZER WEGPOLIEREN
des HSV bereits in Funktion. Seit dem 13. September ist er zudem mit Prokura für die Spielbetriebs-GmbH ausgestattet. Nun wird Bitter als neu er Sportdirektor vorgestellt. Er traue sich den neuen Job zu, sagt er. „Aber das Ganze geht nur in Teamarbeit.“ Das, was vor ihnen steht, lässt sich getrost als Herkulesaufgabe beschrei ben. Denn ihre Aufgabe besteht darin, erstmalig Profihandball auf hohem Ni veau in Hamburg bezahlbar zu machen – und gleichzeitig die nationale Spitze anzugreifen. „Es soll wirtschaftlich tragfähig sein“, sagt Hüneburg. Und die sportlichen Ambitionen endeten nicht mit Platz Neun in der Bundesliga. Der neue kaufmännische Chef will Aufbruchstimmung vermitteln. Man sei noch bei der Bestandsaufnahme, sagt er, er könne aber schon sagen, dass das Brett, dass es zu bohren gel te, „auf jeden Fall nicht so dick“ sei wie angenommen. Der Wirtschaftsraum der Millionenstadt Hamburg biete aus seiner Perspektive enormes Potenzial. Hüneburg sagt, er wolle vor allem in die Zukunft schauen. „Der Blick zu rück ist nicht immer hilfreich.“ Die Frage ist, wie schnell die Fans und die potenziellen Sponsoren über das ökonomische und mediale Desas ter hinwegsehen können, das der HSV in den Monaten zuvor produziert hat. Erst in letzter Minute hatte der Club, den eine Schuldenlast von über drei
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AUSGABE #59 5/2024
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