HANDBALL inside | Ausgabe #59 5/2024

Herr Heuberger, das aktuell leuchtende Beispiel für die deutsche Nachwuchs arbeit ist Renars Uscins. Interessant finden wir, in welchem Moment er in der A-Mannschaft durchbrach: Nämlich im EM-Halbfinale gegen Dänemark, als er Kai Häfner, der wegen der Geburt seines Kin des abwesend war, glänzend vertrat. M artin H euberger : Ja, bei der EM hat er den Durchbruch geschafft und sich seinen Platz im Team erkämpft. Manchmal sind es eben auch glückli che Umstände, die eine Rolle spielen, so war es auch bei Renars. Und in der Olympia-Qualifikation war er unser bester Angreifer. Weil er ein prominentes Fallbeispiel ist: Wann ist Ihnen Uscins erstmals aufgefallen? H euberger : Renars war bereits bei uns in der Jugend dabei, schon bei der Sichtung ist er uns besonders aufgefal len. Wir haben gesehen, dass er Talent hat. Aber dass er eine solch explosions artige Entwicklung wie zuletzt nehmen würde, damit war nicht zu rechnen, weil er für einen Rückraumspieler körperlich nicht gerade auf Topniveau war und vergleichsweise relativ klein ist. Aber was ihn auszeichnet, ist seine hohe Spielintelligenz. Und was bei ihm noch besonders ist: Er hat eine mentale Stabilität und bringt Leistung, wenn es darauf ankommt. Scheinbar spürt er überhaupt keinen Druck. Es wirkt auf den Betrachter so, als sei ihm völlig gleichgültig, dass er gerade ein olympisches Turnier spielt. H euberger : Ja, das stimmt. Er hat auf jeden Fall eine sehr professionelle Einstellung und will in jedem Spiel sein Bestes geben. Auch im Training hat er immer Vollgas gegeben. Diese Trai ningsmoral hat ihn erst so weit gebracht.

rück in Magdeburg, keine Spielanteile und ging als 20-Jähriger nach Hannover. Ein typischer Werdegang? H euberger : Bei Renars, finde ich, war es eher untypisch. Das Talent hat er ja schon immer gehabt, das ist dem BHC und Hannover auch aufgefallen. Dass er in Magdeburg noch nicht durchkam, ist einerseits schade. Andererseits ist es gut, dass das erst den Wechsel zum BHC forciert hat, wo Renars in der Rückrunde viel gespielt hat. Und als es danach beim SCM keinen weiteren Fortschritt gab, war der Wechsel nach Hannover eine logische Konsequenz. Geschah das in Abstimmung mit Ihnen? H euberger : Natürlich war er mit Martin Strobel, der ihn seinerzeit im Eliteförderungsprogramm betreute, und mir im Austausch. Wir können in solchen Situationen unsere Empfeh lung abgeben. Aber letztlich muss der Spieler selbst entscheiden, was für ihn richtig ist. Jedenfalls war sein Wechsel nach Hannover aus meiner Sicht der richtige Schritt. Uscins gehört zum DHB-Elitekader. Schaut man sich diesen Kader an, sind da neun Spieler, darunter vier gestande ne Nationalspieler. Dazu kommen Nils Lichtlein, ein Rückraumspieler, wie auch Jan Mudrow aus Braunschweig. Der Rest sind Flügelspieler oder Kreisläufer. War um sind es so wenige Rückraumspieler? H euberger : Eigentlich wäre es uns umgekehrt lieber. Wir hätten gern mehr Rückraumspieler. Aber wir kön nen sie uns nicht schnitzen. Wir suchen die besten Spieler aus den Jahrgängen, um sie spezifisch zu unterstützen. Und natürlich halten wir Ausschau nach weiteren Rückraumspielern. Ist der Umkehrschluss zutreffend, dass im Rückraum künftig wenig nachkom men wird?

H euberger : Aber auch da hat er, das ist nicht zu übersehen, enorm zuge legt. Er hat immer hart an seinen De fiziten gearbeitet. Aber er ist nicht der Typ Rückraumspieler, der lange als ideal galt. Kein Kim Anders son, der früher beim THW hoch in der Luft stand und über den Block werfen oder passen konnte. H euberger : Diese Vorstellung eines Rückraumspielers, die man vor zehn Jahren noch hatte – also von einem Zwei-Meter-Mann, der vor allem ein starker Schütze ist –, die ist heute in ternational nicht mehr so von Bedeu tung. Wenn man Typen wie Mathias Gidsel sieht oder auch Omar Ingi Mag nusson: Das sind andere Spielertypen als sie früher gefordert wurden. Heute geht es mehr über gute Spielfähigkeit, Gewandtheit, Schnelligkeit, technische Raffinesse und Gewieftheit. „ HEUTE GEHT ES MEHR ÜBER GUTE SPIELFÄHIGKEIT, GEWANDTHEIT, SCHNELLIGKEIT, TECHNISCHE RAFFINESSE UND GEWIEFTHEIT “ Um bei Uscins zu bleiben: Er kam schon früh in die Sportschule des SC Magde burg, was sicher auch der Biografie seines Vaters, eines Ex-Profis, geschuldet war … H euberger : … das spielt sicherlich eine Rolle. Aber dann gab es Brüche. Er war 18 Jahre alt, als er zum Bergischen HC wechselte, dort viel spielte. Und doch bekam er, zu

Dabei ist er nicht gerade sprunggewaltig.

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AUSGABE #59 5/2024

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