HANDBALL inside | Ausgabe #59 5/2024
Gehört eine mögliche Freistellung also zum Jobprofil? M achulla : Das sehe ich so. Als Trai ner muss man sich mit dieser Even tualität zumindest beschäftigen und verstehen, dass eine Freistellung nicht gleich einen Karriereknick bedeutet. Oft werden dadurch nur neue Wege und andere Optionen aufgezeigt.
fast neue Erfahrung. Für mich war aber auch klar, dass ich ein komplettes Jahr Pause mache und nicht sofort wieder an der Seitenlinie stehen muss. Und wie steht es mit dem Motto „Einmal Flensburg, immer Flensburg“? M achulla : Ich habe weiterhin eine gute Verbindung zu den Spielern, mit denen ich lange gearbeitet habe, und wünsche denen alles Gute und jeden Titel der Welt. Aber ich sitze nicht mit schwitzenden Händen vor dem Fern seher und fiebere dem nächsten Meis tertitel der SG entgegen. Was ist das Wichtigste, was Sie aus Flens burg mitgenommen haben? M achulla : Ganz viel Erfahrung, eine Menge positive Emotionen und große Dankbarkeit für diese Zeit! Flensburger sagen oft, man lebe dort schon fast in Dänemark. Ist das wirklich so, mussten Sie sich nach Ihrem Umzug gar nicht wirklich umgewöhnen? M achulla : Zwischen Flensburg und Aalborg gibt es riesengroße Unter schiede. Schon bei einem Spaziergang hier merkt man, wie unfassbar unauf geregt die Dänen sind. Das trifft für jeden Bereich des Lebens zu, es gibt hier überhaupt kein Stressgefühl. Am Anfang fühlte sich für uns alles wie im Urlaub an, obwohl wir schnell auch im Alltag angekommen sind. M achulla : Die Erwartungen des Vereins sind hoch, alles ist hochpro fessionell, dennoch herrscht eine gewisse Ruhe. Wir wollen alles ge winnen, der Ansatz und die Herange hensweise sind aber komplett anders als in der Bundesliga. Gilt diese Gelassenheit auch für Ihre Ar beit im Club?
M achulla : Mit Sicherheit. Der erste Impuls ist natürlich immer, die Schuld zunächst bei den anderen zu suchen. Wenn etwas Zeit vergeht, sehen die eigenen Erkenntnisse aber anders aus. Ich musste mir eingestehen, dass mir bei der SG irgendwann die letzte Ener gie gefehlt hat, um die eine oder andere Entscheidung wirklich mit aller Konse quenz zu treffen. Nach mehreren Jah ren Dauer-Druck, jedes Spiel gewinnen zu müssen, gehen einem vielleicht die Kreativität und ein Stück weit auch der Blick über den Tellerrand verloren. M achulla : Das kann ich so auch be stätigen. Eine wichtige Lehre für mich war, dass ich bei meiner nächsten Trainer-Station die Kompetenzen klar anerkennen und Aufgaben stringenter verteilen muss. Dabei sollte der Ver ein optimalerweise auch eine Struktur schaffen, die es dem Trainer erlaubt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Meistertrainer Kent-Harry Andersson sagte kurz vor seiner Freistellung in Flens burg: Jeder erfolgreiche Trainer muss in seinem Leben auch mal entlassen worden sein. Gilt diese Aussage auch für Sie? M achulla : Du hast, wenn es gut läuft, schnell das Gefühl: Wenn ich hier nicht mehr Trainer bin, dann spielen die kei nen Handball mehr. Das ist natürlich überspitzt formuliert, doch irgendwann nimmt man sich viel zu wichtig. Drei Tage nach meiner Entlassung waren wieder 6.000 Zuschauer in der Halle und die Mannschaft hat selbstverständ lich auch weitergespielt. Bei aller Ei telkeit, die dieser Job mitbringt, ist es auch mal ganz gut, wenn die Sonne zwi schendurch nicht ganz so hell scheint. Auf den Boden der Tatsachen zurück geholt zu werden, ist eine wichtige Er fahrung. Unersetzbar ist niemand. In der Bundesliga haben Trainer oft schlichtweg zu viele Aufgaben.
Wie schwer war es für Sie, von 100 auf Null runterzufahren?
„ EIN DEUTSCHER TRAINER MIT DISZIPLIN- PEITSCHE WÄRE
HIER FEHL AM PLATZ “
M achulla : Jeder Sportler und jeder Trainer liebt das, was er macht. Dein Leben ist zudem extrem durchstruktu riert, es ist keine Frage, dass Du sogar Weihnachten und Ostern im Bus und in der Halle verbringst. Wenn das al les plötzlich wegfällt, stürzt man sich sofort in neue Aufgaben. Ich habe in vier Wochen meinen Garten komplett auf links gedreht, weiterhin jeden Tag Sport gemacht und stand Montag bis Sonntag täglich sechs Uhr morgens auf – wie immer. Es war mir wichtig, diese Struktur für mich beizubehalten. Bis ich verstand, dass es in Ordnung ist, sich selbst etwas Ruhe zu gönnen, das hat gedauert. Haben Sie die Handball-Bundesliga wei terhin verfolgt? M achulla : Erst zur Saison 2023/24 schaute ich mir wieder einzelne Partien an. Handballspiele auch mal ohne große Emotionen zu erleben, war eine schöne,
Leben Sie direkt in Aalborg?
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AUSGABE #59 5/2024
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