HANDBALL inside | Ausgabe #59 5/2024
TITELSTORY
In der Dritten Liga hatte Grgic ei nen perfekten Lauf. Dass der damals 18-Jährige sportlich „auf dem großen Sprung“ ist, war eigentlich schon da mals jedem klar. Den oft zitierten ersten Anruf gab es vor dem Wechsel zum ThSV tatsäch lich gar nicht. „Ich war zu Hause, und auf dem Weg in mein Zimmer fragte mein Papa fast schon nebenbei, ob ich Interesse hätte, nach Eisenach zu ge hen. Ich sagte, na klar, ohne mir viele Gedanken darüber zu machen.“ Bei dem Verein in seiner Geburts stadt den ersten Profivertrag zu unter schreiben, auf der Position, wo genau 20 Jahre zuvor auch schon sein Vater spielte, fühlte sich irgendwie ganz gut an. Auch die Tatsache, dass er ab jetzt eine eigene Wohnung beziehen kann, reizte ihn. „Ich liebe es, auch mal allei ne zu sein, ich wollte endlich ausprobie ren, wie sich das sieben Tage die Woche anfühlt.“ Kochen und Saubermachen waren kein Problem. Aber wirklich alles alleine zu regeln, den Alltag mit vielen organisatorischen Hürden, das hat anfangs nicht immer reibungslos geklappt. Einen Termin beim Kieferor thopäden, früh am Morgen, hat Grgic auch schon mal verschlafen. Seine Ausbildung zum Bankkaufmann, die er im Saarland begann und nun bei der Wartburg-Sparkasse fortsetzte, nahm er allerdings sehr ernst. Täglich von 8 bis 16 Uhr arbeitete Eisenachs Neuzugang nun in der Bank. Eine halbe Stunde nach dem Feier abend begann die Video-Vorbereitung mit der Mannschaft und anschließend das Training – der Tag war komplett durchstrukturiert. Auch sportlich musste sich der damals 18-Jährige neuen Herausforderungen stellen, „in der 2. Liga zu spielen, war ein riesiger TAFFE TAKTUNG
Der Anruf von Alfred Gislason hat den sonst so selbstbewussten Eisena cher ziemlich kalt erwischt. „Ich Qualitätsunterschied. Nicht nur beim Tempo liegen Welten dazwischen.“ Zu mal der Club schon immer große Am bitionen hegte. Die erste Liga war ein erklärtes Ziel für die Mannschaft, die sich bis zum Schluss ein Kopf-an-Kopf - Rennen mit Dessau lieferte. „Dass wir wirklich aufsteigen, realisierten wir erst beim letzten Spiel der Saison 2022/23 gegen Coburg in der 60. Mi nute“, sagt er und lacht. Marko Grgic trinkt eigentlich kei nen Alkohol. Im Sommer 2023, bei der dreitägigen Aufstiegsparty hat er allerdings eine kleine Ausnahme ge macht. „Danach sind die meisten aus dem Team noch in Richtung Mallor ca aufgebrochen, um weiterzufeiern, aber ich fuhr mit meinem Papa in den Urlaub nach Kroatien.“ Er kannte das Programm auf Malle aus dem vergan genen Jahr und entschied sich dieses Mal für „die entspanntere Variante“. Eisenach ist gekommen, um zu bleiben. „Es gibt nichts Geileres, als nach Magdeburg, nach Flensburg oder nach Kiel fahren zu dürfen“, sagt Grgic auf die Frage, ob sich die erste Liga für einen Aufsteiger auch mal ernüchternd anfühlt. „Wir haben uns von Anfang an mit unserem be sonderen Spielstil abgehoben, es war trotzdem klar, dass wir auch Spiele verlieren werden. Die Fans haben uns dennoch weiterhin supportet.“ Diese Euphorie und Leidenschaft hat die Wartburg zu einer wahren Festung gemacht. Auch große Teams, wie die Rhein-Neckar Löwen oder die SG Flensburg-Handewitt, gaben in der Werner-Aßmann-Halle wertvolle Punkte ab. Die Mission Klassenerhalt wurde somit erfolgreich abgehakt – Grgic steuerte in 27 Spielen insgesamt 100 Treffer bei.
fekt“. Aber die Angst, vor einer großen Kulisse zu spielen, wie beispielsweise in der bis an die Decke ausverkauften Wunderino Arena, verspüre der junge Rückraumspieler nie. „Es gibt schon eine Aufregung, allerdings verfliegt die beim Anpfiff sofort.“ Wenn es um den Sieg geht, sei es ihm egal, ob man vor 200 oder 28.000 Zuschauern, wie im französischen Lille, spielen würde. So unaufgeregt, wie Grgic seine ers ten Begegnungen mit den Handball Stars schildert, erzählt er auch von seinem Weg nach Eisenach. „In der Heimat lebten wir alle unter einem Dach, und es war irgendwie klar, dass für mich bald ein neuer Schritt kom men muss.“ Wenn Grgic über seine „Heimat“ spricht, lacht sein ganzes Gesicht wieder. Zeitungen schreiben zwar gerne, dass er ein ThSV-Eigen gewächs wäre, doch diese Behauptung stimmt nicht. „Eisenach ist meine Ge burtsstadt, doch aufgewachsen, lesen, schreiben und Handballspielen, das habe ich alles im Saarland gelernt, dort bin ich zu Hause.“ Ganze 13 Jah re lang trug er das Trikot vom HC Saarlouis, dem Verein, für den sein Bruder bis heute spielt – und wo auch Vater Danijel seine lange Karriere be endete und dann den Weg als Trainer eingeschlagen hat. „Mit Papa habe ich selten über Hand ball gesprochen. Wenn er etwas zu mei nem Spiel zu sagen versuchte, nahm ich das sofort als Kritik auf. Welcher Teen ager will sich nach dem Abpfiff schon etwas von seinen Eltern anhören?“ In der A-Jugend Bundesliga kreuz ten sich die Wege der Grgics und Marko musste dieses Mal zuhören. Papa Danijel war nun sein Coach. „Da waren wir auch nicht immer einer Meinung“, sagt der Filius und lacht. Die Saison wurde allerdings Corona bedingt abgebrochen – irgendwie ein Glück im Unglück.
AUSGABE #59 5/2024
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