HANDBALL inside | Ausgabe #59 5/2024
das Römische Reich ging irgend wann unter, weshalb die Historiker leidenschaftlich darüber debattieren, welche Symptome den Niedergang sichtbar machten. Weil der THW in der vergangenen Spielzeit weitere krasse Pleiten erleb te, in Montpellier, in Gummersbach und auch zu Hause gegen Melsungen und Aalborg, steht daher auch für den Handball diese Frage im Raum: Be deuten diese Risse, die das Reich des THW Kiel nun erneut bei der Heim niederlage gegen Melsungen offenbart, womöglich das Ende eines Zeitalters? Geht da just eine Ära zu Ende, so wie einst beim VfL Gummersbach? Die Macht des THW Kiel gründet sich von jeher auf der Gunst seines Publikums. Seit fast einem halben Jahrhundert strömen die Fans in Massen zu den Heimspielen. Nach der Vize-Meisterschaft 1983 stieg die Nachfrage in solche Höhen, dass die Kapazität der Ostseehalle im Jahr 2001 von 7.000 auf 10.250 Plätze auf gestockt werden konnte. Lange Zeit war es fast unmöglich, an Tickets zu kommen. Dauerkarten wurden gewis sermaßen vererbt. Und wenn doch welche in den Handel kamen, wurde das Anrecht auf den Kauf einer Dau erkarte, das sogenannte Stammblatt, für hohe Summen versteigert. Während die Konkurrenz für die Ti cketerlöse oft nur ins Ungewisse hinein kalkulieren konnte, vereinnahmte der THW durch den Dauerkartenverkauf schon vor dem ersten Spieltag rund die Hälfte seines Etats und kassierte dabei noch gute Zinsen. Dank langjäh riger lokaler Partner wie Citti, Famila oder die Provinzial stimmten zudem die Erlöse durch das Sponsoring. „Unverändert lassen die konstanten RISSE IM REICH
Foto: imago
Größter Sponsor des THW: das Publikum
Arena, wie schon zum Auftakt gegen Göppingen, gegen Melsungen jeden falls nicht ausverkauft. Insgesamt 9.721 Zuschauer fanden den Weg in die Halle, über 400 Plätze blieben leer. Mit einem solchen Zuschauer schnitt wäre der THW Kiel immer noch Krösus in der Liga. Anders als noch vor 20 Jahren gibt es aber inzwi schen einige Konkurrenten, die über eine ähnliche Infrastruktur verfügen, um annähernd hohe Zuschauererlö se zu generieren. Etwa die Recken in Hannover, die Löwen in Mannheim und auch die Füchse in Berlin. Die Kieler Fans jedenfalls sind von jeher der größte Sponsor des THW Kiel. Wenn der Zuspruch sinkt, gefähr det dies auch die monetäre Überle-
Werbeeinnahmen, der sehr hohe Dau erkartenanteil und die starke Nachfra ge nach Karten im Einzelverkauf keine Risiken über das normale Maß hinaus erkennen“, hieß es im Geschäftsbe richt des THW-Geschäftsführers nach der Saison 2016/17. Damals konnte es vorkommen, dass die Ränge in der Arena, obwohl sie offi ziell ausverkauft war, nicht vollständig besetzt waren. Denn es gab Fans, die eine Dauerkarte erwarben, um Höhe punkte wie die Derbys gegen Flensburg erleben zu können, die auf den Besuch anderer Partien aber verzichteten. Die Zeiten dieser ungebremsten Nachfrage sind jedoch offensichtlich vorbei. Trotz des überraschenden Aus wärtssieges in Magdeburg war die
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