HANDBALL inside | Ausgabe #59 5/2024

bar aus dem Norden der Stadt, ihre größte Konjunktur seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Und auch wenn niemand sagen kann, wie viele Fans tatsächlich vom Handball zum Fuß ball abgewandert sind, sehen einige Beobachter den Niedergang des THW Kiel in Zusammenhang mit dem Auf schwung des Kieler Fußballs. Öffentlich erklärte THW-Geschäfts führer Viktor Szilágyi dazu, er glaube nicht, dass sein Verein darunter leiden werde. Er hoffe, dass beide Clubs in der Stadt von dem Boom der KSV pro fitieren und der Sport dadurch einen größeren Stellenwert bekomme. Aber der Österreicher, der bis 2007 beim THW als Profi spielte, räumt zugleich ein, dass die Sichtbarkeit von Holstein in der Stadt seit dieser Zeit „wahnsin nig zugenommen“ habe. Tatsächlich wirkt sich die enorme Aufmerksamkeit für die KSV negativ auf die Ertragslage beim THW Kiel aus, wie einer seiner Kommanditisten berichtet: „Das läuft doch so: Holstein kommt auf Sponsoren, die beim THW engagiert sind, zu und sagt: ‚Ihr müsst bei uns auch was machen.‘ Ein Spon sor, der bis dahin vielleicht 30.000 Euro jährlich an den THW zahlt, gibt dann jeweils 20.000 Euro an beide Clubs. Was für den THW heißt, dass weniger für ihn übrigbleibt.“ Der Aufstieg der KSV wird ver mutlich nicht dazu führen, dass einflussreiche Geldgeber wie der Le bensmittelkonzern Citti ihr Enga gement beim THW Kiel reduzieren, zumal Citti auch zur Hälfte an der Wunderino Arena beteiligt ist – der andere Eigner sind die Kieler Nach richten – und außerdem mit einer Einlage von 245.000 Euro einer der größten THW-Kommanditisten ist HOLSTEIN-BOOM

genheit des Clubs, die über Jahrzehnte währte. Mit einem Umsatz in Höhe von knapp zwölf Millionen Euro thron ten die „Zebras“ in der Saison 2012/13 noch über der nationalen Konkurrenz, selbst international konnten diesbe züglich nur wenig Clubs mithalten. Elf Jahre später, in der Spielzeit 2022/23, hat sich der Umsatz der Bundesliga-GmbH der Kieler laut in ternem Geschäftsbericht mit 14,35 Mio. Euro nur geringfügig erhöht – der THW scheint an ökonomische Grenzen zu stoßen. Mit Blick auf die sportlichen Möglichkeiten ist der Pos ten „Personalaufwand“ indes noch aufschlussreicher. Im Vergleich zur Spielzeit 2012/13 (7,198 Mio.) stieg dieser bis 2022/23 (7,631 Mio.) ledig lich um 433.000 Euro. Da diese Summe auch die Mitar beiter der Geschäftsstelle der GmbH beinhaltet, deren Aufwand der THW Aufsichtsratschef Marc Weinstock für die Spielzeit 2018/19 mit einer Million Euro bezifferte und der seit 2012/13 gestiegen sein dürfte, ist das eine für den THW Kiel besorgniserregende Entwicklung. Denn sie bedeutet nicht weniger, als dass der Etat für die Profis allenfalls stagniert. Wie sehr das den Status der Kieler als Branchenführer gefährdet, macht der Vergleich mit der Konkurrenz deutlich. Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann hat das ehrgeizige Ziel aus gegeben, die Umsatzerlöse der HBL aus der Vor-Pandemie-Saison 2018/19 bis 2029 – also bis zum Ende des Me dienvertrages der Liga mit Dyn – von 140 auf 280 Millionen Euro zu verdop peln. Für die aktuelle Serie 2024/25 liege der Umsatz bereits bei über 200 Millionen Euro, davon über 150 Millio nen in der Ersten Liga, sagt Bohmann. Während die Umsätze der Liga seit 2018/19 also um gut 50 Prozent ge wachsen sind, konnte der THW Kiel

seinen Umsatz von 2018/19 (13,427 Mio.) bis 2022/23 (14,35 Mio.) nur um rund 6,9 Prozent steigern. Boh mann erklärt, er werde sich zu ein zelnen Clubs nicht konkret äußern, sondern nur zur Gesamtlage. „Die Liga ist deutlich zusammengerückt. Bei einigen Clubs gibt es eine dyna mische Entwicklung, bei anderen sta gniert sie“, sagt er. Der THW Kiel ist also derzeit nicht für das Wachstum der HBL zuständig. Und Clubs wie die SG Flensburg-Handewitt, der SC Magdeburg und die MT Melsungen sind längst wettbewerbsfähig. Diese völlig neue finanzielle Lage hat gravierende Folgen für die Transfer politik der Kieler. Auch garantiert der Standort Kiel nicht mehr allein natio nale Titel. Damit kann heute ebenfalls der SCM werben, und die Flensburger locken mit ähnlichen Versprechen. Und auch in diesen Clubs lässt sich als Profi sehr gutes Geld verdienen. Mitten in diesem Trend, der nach unten zeigt, muss sich der THW Kiel in seiner Stadt mit einer schlagkräftigen Konkurrenz auseinandersetzen. Mit dem Aufstieg in die Fußball-Bundesli ga erlebt die KSV Holstein, der Nach DIE GRÖSSTEN KOMMANDITISTEN DES THW KIEL (30. JUNI 2023) KOMMANDITIST Einlage KIELER NACHRICHTEN 300.000 CITTI 245.000 BIG BAU 200.000 LASSE ELWARDT 170.162 G+D GRAFIK + DRUCK 155.000 FÖRDE SPARKASSE 135.000 FAMILA 135.000 COOP EG 134.500 WOLFRAM KOLOSSA 122.000 KAI-ULRICH KRUSE 100.000 KIELER VOLKSBANK 100.000 Quelle: Prüfungsbericht THW Kiel Handball-Bundesliga GmbH & Co. KG 2022/23

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AUSGABE #59 5/2024

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