HANDBALL inside | Ausgabe #59 5/2024

INTERVIEW

Fehlte Ihnen damals als Spielerin der Frauen-Nationalmannschaft im Vergleich zu den Männern die Wertschätzung? J oensson : Ach, in den Vereinen hat ten wir schon sehr gute Rahmenbedin gungen. Gerade in Engelskirchen gab es viele Menschen, die sich um uns und die Mannschaft gekümmert haben. Tat sächlich aber haben sich viele Männer überhaupt nicht für den Frauenhand ball interessiert, auch wenn Heiner Brand anlässlich des Europacup-Fina les 1986 in unserer Halle zu Gast war. Von den meisten sind wir Handball frauen damals immer ein wenig belä chelt worden. Auch, weil der Umgang mit der Homosexualität damals bei Weitem nicht so offen war wie heute. Heute ist das ein Stück Normalität ge worden, auch ich lebe mit meiner Le bensgefährtin zusammen und bin mit ihr verheiratet. Das war aber in den 80er Jahren noch völlig anders. Da gab es viele Widerstände zu brechen … J oensson : Ich denke schon, dass das in jener Zeit eine gewisse Befangen heit ausgelöst hat. Das war selbst in der BILD ein Riesengeschichte. Ich kann mir vorstellen, dass das auch für Hoffmann ein Problem war. Allerdings waren einige Spielerinnen so wertvoll für die Mannschaft, dass man an ihnen nicht vorbeigehen konnte. In Wien hatten Sie es dann mit Gunnar Prokop zu tun, der mindestens so auf brausend war wie Ekke Hoffmann. J oensson : Er war ein Choleriker, aber man kann über ihn sagen, was man will: Letztlich war er immer da, wenn eine Spielerin oder deren Fami lie in Not war. Er stand immer hinter seinen Leuten. Er war ein Kümmerer, der da war, wenn Hilfe benötigt wur de. Er hat vieles möglich gemacht. Auf … und viele dumme Kommentare. Kann man das abstreifen?

… bei denen Sie dann für Ihr neues Hei matland Österreich aufliefen. Aber reden wir noch kurz über Ihre Zeit in der deut schen Nationalmannschaft. Warum woll ten Sie dort weg? J oensson : Es gab damals schon eini ge Konflikte mit dem damaligen Bun destrainer Ekke Hoffmann, unter dem einige Spielerinnen nicht mehr auflau fen wollten. J oensson : Boah, gute Frage, weiß ich nicht. Es war oft nicht einfach mit ihm, weil er – vorsichtig ausgedrückt – verbal nicht der Ausgeglichenste war. Aus seiner Sicht hat er sicher versucht, das Beste aus der Mannschaft heraus zuholen, es war aber nicht immer das Beste für die Mannschaft. Aber damals Hatte das mit der sexuellen Ausrichtung etlicher Spielerinnen zu tun?

waren die Zeiten anders. Wenn ein Trainer eine Ansage machte, ist man ihm zunächst mal gefolgt. Bis er eines Tages den Bogen offensichtlich über spannt hatte. Allein die Tatsache, dass wir ihn damals siezen mussten, ver deutlicht seine Einstellung. J oensson : Nun ja, es gab einige Spie lerinnen, die nicht mehr eingeladen wurden, und es gab andere, die sich vom Nationalteam zurückzogen. Auch ich bin ja mit ihm aneinandergeraten, als er mich lautstark zusammengefaltet hat. Das habe ich mir aber nicht bieten lassen, habe meine Sachen gepackt und bin tags darauf heimgefahren. Petra Platen musste danach vermitteln, da mit ich wieder zurückkommen wollte. War das der Auslöser, weshalb Sie den DHB verlassen haben?

Foto: Kerstin Joensson/privat

Jubelschrei: Kerstin Joensson nach dem Europacup-Triumph mit Hypobank Wien

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AUSGABE #59 5/2024

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